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Kleinere Unfälle

Donnerstag ist mein Glückstag. Am Donnerstag ist meist schönes Wetter, die Leute sind fröhlich und zuvorkommend und nichts geht schief. Am Donnerstag dem 19. September 2002 soll es natürlich auch so sein. Es ist nicht kalt am Morgen, die Vögel singen und ich bin auf dem Weg zur Arbeit.

Es ist nicht weiter dramatisch, daß der Fußweg den ich zur S-Bahn nehme und auf dem keine Autos fahren dürfen eben gerade durch ein dickes Auto versperrt ist. Ich laufe seitlich daran vorbei, ohne in die Wiese zu tappen, die neben dem Bahndamm verläuft und diesen Namen einfach nicht mehr verdient. Eher müßte sie "städtisches Hundeklo" heißen. Ich bin allein auf dem Bahnsteig und warte auf die S-Bahn. Das Türöffnen ist für mich ein Problem, weil die Bahn keine Türgriffe, sondern nur Knöpfe hat, die sich nicht von der Türfläche abheben. Ich steige an einer Mittelstation zu und habe für langes Suchen keine Zeit. Deshalb klopfe ich mit beiden Händen an die Scheibe, damit mir jemand öffnet. Es öffnet auch jemand und sagt mit hörbar türkischem Akzent: "Kommen Sie rein." Ich will einsteigen und bemerke das furchtbarste für einen Langstockgeher: Mein Stock ist weg. "Wo ist mein Stock? Gerade war er noch da. Ohne Stock komm ich nicht weit", sage ich. "Da unten liegt er", meint der Mann und steigt aus. "Was mach ich jetzt? Ich hab kein Handy dabei (sonst hätte ich ein Taxi genommen, wäre Heim gefahren und hätte auf den Stock gepfiffen) helfen Sie mir bitte." Der Mann gibt dem Lokführer Zeichen. Der kommt gelaufen und der junge Mann holt meinen Stock aus den Geleisen. Ich bedanke mich bei beiden, setze mich dem Mann im Zug gegenüber und erkläre ihm erst mal, warum mein Stock für mich so wichtig ist. Ohne ihn stehe ich außer in meinem Büro und meiner Wohnung recht hilflos in der Gegend.

"Das hätte jeder getan", sagt der Mann und ich bin sehr sehr dankbar, daß er mir geholfen hat!!! Ich denke nämlich, daß das nicht jeder getan hätte. Ich mache Fußreflexzonenmassage als "Nebentätigkeit" und gebe dem Mann meine Visitenkarte. Weil ich keine Firmengutscheine bei mir habe, gebe ich ihm mündlich die Zusicherung eines Gutscheines. Ich kenne ja seinen Namen und seine Stimme. Sonst fällt mir im Augenblick keine Möglichkeit ein, mich zu bedanken.

Ich setze meinen Weg ins Büro fort. Auf dem Gehweg vor einem kleinen Blumengeschäft steht ein Auto. Das ist normal. Ich will daran vorbei laufen und trete in einen sehr flachen Blumenkasten. Der rutscht weg und ich auch. Ich falle in die dahinterstehenden Blumen in Töpfen und Kästen.

Nachdem ich mich aufgerappelt habe denke ich: "Was soll ich jetzt tun? Fußgängerflucht will ich ja nicht begehen." Ich sehe mir die Sache an. Der Kasten, in den ich getreten bin, ist kaputt. Es kugeln auch kleine runde Dinger auf dem Gehweg herum. Ich rufe ein fragendes "Hallo?", in den Blumenladen. Eigentlich hätte bei dem Geschepper ja jemand reagieren müssen. Anscheinend aus der hintersten Ecke kommt eine junge freundliche Frau hervor gewuselt. Ich erkläre ihr was passiert ist. Sie entschuldigt sich, ihr tut das ganze so leid. Der Laden wird umgebaut und deshalb steht alles voll. Ich wehre ab und verweise auf meinen verursachten Schaden. "Ach", meint sie gelassen, "das war nur ein Kasten Zierkürbisse, da ist weiter nichts passiert." Wir unterhalten uns noch 5 Minuten. Ich hab flexible Arbeitszeit und kann deshalb nicht zu spät kommen.

Viele im Handel erhältliche Schnittblumen duften nicht. Sie hat welche, die duften. Und sie kann für den Garten die alten duftenden Rosenzüchtungen besorgen. Jasmin mag sie auch. Ich denke, ich werd da noch manchesmal vorbei schauen.

Im Amt treffe ich eine Kollegin und frage sie, ob ich bei dem Sturz meine Hose beschmutzt habe. Dies ist nicht der Fall. Für die nächste Stunde bleibe ich erst mal im Büro und verlasse es nicht. Der Sachgebietsleiter fragt mich, ob ich Heim gehen möchte. Nein, lieber nicht. Zwischen meinen heutigen Unfällen darf ruhig eine größere Pause liegen.

Fazit: Die linke Hand tut etwas weh, mein Knie ist leicht geschwollen, aber ich habe gelernt, daß es wahnsinnig hilfsbereite Menschen gibt. Ich bin am Bahnsteig ohne Stock nicht in den Spalt zwischen S-Bahn und Bahnsteigkante getreten und der Sturz vor dem Blumenladen ist auch ohne Brüche, Verstauchungen oder ähnliches ausgegangen. Statt dessen weiß ich jetzt, wo ich schöne und duftende Blumen + guter und freundlicher Beratung finden kann. Wenn das nicht ein Glückstag ist? Eben! So viel Glück hat man nur an einem Donnerstag!

Sandra Grenzer

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© 2002 by Sandra Grenzer
Erstellt am Sa, 21.09.02, 11:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/unterw/unfall.shtml

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