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Jamie
Aus dem Tagebuch eines angehenden Blindenhundes

Eine Katze springt mir mitten ins Gesicht, Hilfe, gleich kratzt sie mir die Augen aus! Ich wehre mich jaulend und um mich schlagend und versuche wegzulaufen. Das kleine Mistvieh ist nicht abzuschütteln. "Hallo Jamie, wach auf!" Simone rüttelt mich sacht und ich schrecke hoch. Huch, es war nur ein Traum. Aber wo sind diese kleinen kroatischen Quälgeister gerade? Unsere Menschen waren jetzt eine Woche auf der kroatischen Insel Krk. Dort hat Birgit gemeinsam mit anderen Tierschützern Streunerkatzen eingefangen und Simone hat diese gemeinsam mit zwei weiteren Tierärztinnen kastriert - insgesamt 140 Katzen. Einen Tag nach der OP wurden sie an ihren Futterplätzen wieder ausgesetzt. Leider konnten die Beiden es sich nicht verkneifen zwei halb verhungerte, verschnupfte Katzenbabies namens Macka und Macak (zu deutsch: Katze und Kater - wie einfallsreich!) mit nach Haus zu schleppen. Ich habe nie geglaubt, dass es Tiere gibt, die noch vornehmer an der Wasserschüssel nippen als Marusa. Mir jedenfalls fällt es schwer, beim Trinken die Umgebung des Napfes nicht in eine Überschwemmung zu verwandeln.

Macak ist ganz in Ordnung. Wir haben etwas gemeinsam - einen gesunden Appetit. Macka kann sich in eine keifende Furie verwandeln (typisch Weib!!). "Komm mir bloß nicht zu nah." faucht sie schon von Weitem. Kein Wunder, dass die Katzen aus dem Nachbarhaus sie nicht bei sich aufnehmen wollen. Es ist das erste Mal in der Geschichte dieser Wohngemeinschaft, dass alle vier Katzen bei der demokratischen Erörterung eines Sachverhaltes einen einstimmigen Beschluß fassten. Normalerweise decken sich ihre Ansichten in keiner Weise miteinander und die Diskussionen hört man drei Häuser weit. Recht bekommt am Ende Miau, weil er der Stärkste ist und sich mit Krallen und Zähnen durchsetzt. Im Gegensatz zu Meggi, die immer den Kürzeren zieht und sich für den größten Teil des Tages in unseren Garten zurückzieht. An ihren Lieblingsplätzen sonnt sie sich und meditiert. Hier hat sie ihre Ruhe - das heißt, sie hatte ihre Ruhe, bis jetzt!! Die Einzige, die sich wirklich über den Zuwachs freut und mit Macka spielt, ist Napoleon, das Löwenkopfkaninchen. Ihr müsst Euch nicht wundern, dass sie diesen Namen hat, obwohl sie eine Zippe ist. Aber sie hat halt kämpferische Ambitionen und greift laut schimpfend Menschenhände an. Ihr Vorbesitzer wird gewusst haben, warum er sie in einer Mülltonne entsorgte.

Ihr werdet Euch jetzt fragen, ob ich vielleicht eine Woche allein zu Hause war und sturmfreie Bude hatte. Oh nein, ich brauche ja mein Essen (das Wichtigste!), meine Bewegung und Streicheleinheiten. Deshalb verbrachte ich die Zeit bei meiner Mama, die mich nicht mehr ganz so liebt, wie damals, als ich noch ein Baby war. Wenn ihr meine Spieltiraden zu viel wurden schnarrte sie, ich solle nicht nervig sein, sondern mir ein Beispiel nehmen an den beiden schmucken Labradoren, die hier gerade ihre Ausbildung zum Blindenführhund absolvieren. Diese waren aber immer zum Toben und Balgen aufgelegt. Nur wenn unser Herrchen mit ihnen trainierte durfte ich nicht stören.

Oh, ich bin doch immer noch etwas müde und werde jetzt mal sehen, ob ich eine handvoll erholsamen Schlaf ohne Albträume bekomme.

Bis zum nächsten Mal
Euer Jamie

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© 2003 by Simone
Erstellt am Di, 14.10.03, 11:50:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/hund/jamie2.shtml

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