Es gibt zur Zeit nur ein für Blinde geeignetes Blutzuckermessgerät - das Gluki (Fa. CareTec). Damit fällt die Qual der Wahl schon mal weg. Es ist so groß wie zwei nebeneinander gelegte Zigarettenschachteln, besitzt eine Sprachausgabe und überhaupt keinen Bedienknopf. Gemessen wird mit dem Glucometer Elite Sensor, der Messvorgang dauert 30 Sekunden. Die Handhabung des Gerätes ist einfach. Die Schwierigkeit liegt beim Gewinnen des Blutstropfens und beim Aufbringen des Blutes auf den Messsensor. Wenn der Sensor zu wenig Blut aufnimmt, fällt das Messergebnis zu niedrig aus. Das hat böse Folgen für die Insulindosierung, die ja vom gemessenen Wert mit abhängt. Leider müssen die Blutstropfen aus der Fingerbeere gewonnen werden, was schmerzhaft sein kann und die Fingerkuppen verhornt. Das kann blinden Menschen zum Nachteil gereichen; denn für das Lesen und viele andere Tätigkeiten brauchen sie ja feinfühlige Finger. Man kann zur Linderung in die Fingerkuppen Ringelblumensalbe oder Melkfett einmassieren. Das Gluki und alles Zubehör zum Messen wird in der Regel auf Rezept gewährt, wie auch die Spritzutensilien und das Insulin.
Grundsätzlich kann sich ein Blinder seine Spritzen selbst setzen. Kurzzeit- und Mischinsuline werden in die Bauchdecke, Langzeitinsuline in den Oberschenkel oder ins Gesäß gespritzt. Wenn man versehentlich ein Gefäß trifft, kann es zu Einblutungen ins Gewebe, blauen Flecken, kommen, die sich aber bald wieder zurückbilden. In unseren Breiten braucht man keine Hautdesinfektion an den Spritzstellen vorzunehmen. Man braucht auch keine Angst vor dem Spritzen zu haben. Die Nadeln sind heutzutage so fein, dass man den Einstich kaum spürt. Da Blinde herkömmliche Spritzen nicht aufziehen können, müssen sie sogenannte Pens benutzen. Das sind Spritzgeräte, die die Insulinmenge automatisch dosieren und per Knopfdruck abgeben. Sie sind etwa so groß wie ein Filzstift und beherbergen die Insulinpatrone und die Aufziehmechanik. Je nach Pen wird bei jedem Raster eine Insulinmenge von einer oder zwei Einheiten bereitgestellt. Wer den Pen beim Patronenwechsel nicht auseinandernehmen möchte oder kann, lasse sich sogenannte Fertig-Pens verschreiben. Diese werden, wenn sie leer sind, entsorgt bzw. wiederverwertet. Auf jeden Fall ist es zu empfehlen, sich mehrere Pens anzusehen und erst einmal ein wenig damit zu spielen, um sich für den entscheiden zu können, der einem am sympathischsten ist.
Wichtig ist zu wissen, wieviele Kohlehydrate die einzelnen Lebensmittel enthalten. Man erfährt das aus den Analysen, die (leider nicht immer) auf den Lebensmitteln und Fertiggerichten aufgedruckt sind, aus sogenannten Kohlehydrataustauschtabellen oder aus der Tabelle zuckerhaltiger Lebensmittel von Swen David Müller, die es beim Insuliner Verlag auf Diskette zu erwerben gibt. Wer aus der Welt der Sehenden kommt, kann hier auf seine Erfahrungen zurückgreifen. Wer als Blinder zuckerkrank wird, muss sich alles mühevoll erarbeiten. Eine Austauschtabelle auf Kassette gibt es, soweit ich weiß, nicht. Man muss in einer Schulung möglichst viel auswendig lernen. Es gibt aber sprechende Diätwaagen, die das Gewicht in Ein-Gramm-Schritten ansagen. Sie haben auch eine Zuwiegeeinrichtung - beim Auswiegen von Zutaten zum Kochen und Backen ein unentbehrliches Hilfsmittel. Diese Waagen müssen selbst bezahlt werden, ebenso wie die sprechenden Personenwaagen. Mit der Zeit lernt man den Kohlehydratgehalt von Brot, Obst, Gebäck und anderen häufig gegessenen Lebensmitteln und Gerichten einzuschätzen. Etwas problematisch ist das Essen im Restaurant, weil man ja hier verständlicherweise das Essen auf dem Teller nicht anfassen kann. Die meisten Portionen haben an die 5 Broteinheiten ohne Nachtisch. Eine große Pizza hat beispielsweise 10-12 Broteinheiten. Das ist für einen vollschlanken Diabetiker schon die gesamte Tagesration.
Marianne Webel
© 2001 by Marianne Webel
Erstellt am Mo, 05.11.01, 07:49:28 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/berichte/blindiab.shtml