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Grillabend

An einem heißen Sommerabend öffnete ich die Balkontür, ließ ein laues Lüftchen wehen und legte mich, vom vielen Nichtstun erschöpft, ins Bett. Das ferne Summen von Autos lullte mich langsam ein, als ich plötzlich ein Knacken an meiner Fensterbank hörte. Ich raunte mir zu, daß das gewiss nur ein Blatt in meinem Blätterwald aus Avocados sei und dämmerte weiter. Doch dann brach etwas durch das Unterholz meiner Monstera. Die ist gut zwei Meter hoch und hat an die zwanzig klodeckelgroße Blätter. Irgendwas stieg da durch die Luftwurzeln und trat auf den jungen Trieben herum. Ich erstarrte und meine Ohren verwandelten sich in Satellitenschüsseln. Das Geräusch änderte sich. Nun knisterte es an meinem Wollkorb. Ich starrte Luftlöcher ins Dunkel und meine Phantasie schlug flicflac. Mit einem schicksalsergebenen Seufzen knipste ich doch die Lampe an, wild entschlossen, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Ich fand diese Augen nicht. Kaum war das Licht an, entstand in meinem Zimmer absolute Stille und mit einem paranoiden Gefühl legte ich mich wieder unter die Decke, bereit das ganze zu ignorieren.

Unmöglich, denn mit einem kleinen Knall landete etwas Hartes, Festes neben mir. Das ging zu weit! Ich teile mein Bett mit niemandem! Licht an. Ruhe. Taschenlampe holen. Ritzen beleuchten. Allerlei Vermisstes unterm Bett finden, inklusive Spinnweben und Wollmäusen, aber sonst....? Nix! Licht aus. Von Entspannung keine Spur mehr. Ein Surren und mein Kopfkissen wurde zur Startrampe. Knacken im Unterholz. Schon vertrauter. Da die Distanz zu mir gewahrt blieb, schlief ich ein.

In der nächsten Nacht ging ich schon mit gemischten Gefühlen ins Bett. Die Balkontür weit offen, um meinem Besucher den Ausgang frei zu halten. Ich war schon halb hinüber, als es plötzlich anfängt zu schrillen! Das Zirpen von Grillen mag sich idyllisch anhören, wenn es außer Haus ist, aber nun hatte ich solch ein Tier in meiner Monstera! Ich hebelte mich aus dem Bett, schleifte die Riesenpflanze mitsamt Keramikkübel auf den Balkon und hoffte.

Ich hoffte vergebens, denn das Tier geigfiedelte weiter in meinem Zimmer, in den höchsten Tönen. An Schlaf nicht zu denken. Da ich sie nun im Kardamom vermutete, schleifte ich auch den auf den Balkon. Dumpfes Ploppen an der Scheibe und anschließendes Grillensolo ließen mich kapitulieren. Ich verzog mich in ein anderes Zimmer, dankbar, daß ich meine Gäste mit einer guten Matraze beglücke.

Anderen Morgens inspizierte ich bei Tageslicht meine Pflanzen und fand nichts. Doch, Bißspuren und davon reichlich! Nächtliches Musizieren macht wohl Hunger. Meinen Avocados fehlten ein paar junge Triebe und an einigen Blättern waren Löcher. Das ging zu weit. Ich war gewillt nebenan zu schlafen und zu warten, bis das Tier sich einen Infarkt geigt, aber meine Avocados wollte ich nicht opfern. Rachelüstern, aber ratlos, packte ich für einen Kurztrip meinen Rucksack, als ich plötzlich das vertraute Ploppen neben mir hörte. Die Grille hatte sich aus den Tentakeln meiner Wachsblume gelöst und war direkt neben mir gelandet.

Beherzt griff ich zu und wedelte sie vom Balkon und wünschte ihr mit meinen Nachbarn viel Freude. Ich ziehe Grillabende mit Steaks und Musik aus der Konserve vor.

Ulrike Geilfus

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© 2003 by Ulrike Geilfus
Erstellt am Do, 18.09.03, 13:46:09 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/berichte/grillabend.shtml

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