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Manna

Als das Volk Israels dermaleinst in der Wüste herum murrte, weil es sich benachtteiligt fühlte und Mangel litt, ließ der Herr Manna herniederregnen.
Täglich aufs Neu.

Das Manna des heutigen kleinen Mannes (und der Frau) ist der Sperrmüll. Auch er liegt auf der Straße, muß nur aufgeklaubt werden und ist zeitlich begrenzt. sonst wäre es ja nichts besonderes mehr.

Auch bei meiner diesjährigen Urlaubsplanung hatte ich den Sperrmülltermin fest im Blick und war voller Vorfreude. Ich gehöre zu den Vermessenen, die sich regelrecht einen Wunschzettel schreiben und auf die Erfüllung warten, die ich durch lautes Kundtun meiner Wünsche erhöhe.

Der Tag fing schon gut an. Erste Vorbereitungen mußten getroffen werden, das heißt, der Keller von eigenem Müll befreit. Schwierige Entscheidungen standen an. Sollte ich mich von dem Bollerwagen trennen, den ich schon seit 15 Jahren nicht mehr von der Stelle bewegt hatte, an dem aber soviel Erinnerungen hängen? ... und der Barhocker? Hübsch häßlich. Er braucht nur noch das Leopardenplüsch drauf und den Schwanz dran, also, DER bleibt auch... eventuell die doofen Bretter? Der zernagte Korb, den sogar die Ratten verschmähen? Ja, davon kann ich mich trennen.

Kritisch beäugte ich die vielen vollen Koffer, die unbeschriftet im Regal lagen. Vorsichtig öffnete ich einen. Alte Handtaschen aus den 50er und 60er Jahren. Was eine Überraschung! Davon wollte ich mich auch trennen, packte sie aber in eine Flohmarktkiste um. Eine innere Stimme riet mir, die kleinen Nebenfächer zu kontrollieren und Reißverschlüsse zu öffnen. Fette Beute! 50 DM. Das hatte sich schon einmal gelohnt, auch wenn Bargeld nicht auf meiner Wunschliste stand.

Ich schleppte meinen Anteil an diesem Freudenfest auf die Gasse und sah frohen Mutes, wie sich andere Häufchen mehrten. Gleich dem ersten Nachbarn trötete ich meinen Wunsch nach einem kleinen, runden Holztisch entgegen, der sofort erfüllt wurde. Michaela aus unserem Haus hatte just so einen Tisch vor ihrer Kellertür stehen. Er hatte nicht den Hauch einer Chance auch nur mit dem Asphalt in Berührung zu kommen. Ich schleppte ihn gleich ab. Staubwischen. Polieren mit Möbelöl. 1a. Nun wollte ich mein Jagdfieber außerhalb des Hauses befriedigen und zog los.

Gleich in der ersten Seitenstraße gesellte sich ein attraktiver Mittdreißiger in Shorts zu mir, der mir gern behilflich sein wollte. Ich ließ ihn. Er war mir bekannt als Melkfettverkäufer, Künstler, fliegender Händler aller Arten, ein Mann, der Gelegenheiten nutzt und nicht nur im An- und Verkauf.

Behütet und mit Komplimenten überhäuft zog ich meines Weges. Er trug meine Beute. Mit Vehemenz mußte ich allerdings klarstellen, das ich selbst entscheide was gut und was ungebräuchlich ist. Das machte ihm sichtlich Mühe. Er umkreist mich wie ein Satellit und pries nun seine Vorzüge. Ich lud ihm einen großen Papageienkäfig auf. Für Lukas, meinen Rattensitter, der nun auch bald Ratten haben darf. Käfige sind teuer. mit leicht angestrengter Stimme teilt mir mein Käfigträger mit, dass er auch Massagen mache. Mit Duftöl!

Vor mich hingrinsend grub ich zwei Aquarellkästen aus einem Karton mit gemischten Kleinigkeiten. Hinter mir tönte es, dass die Frauen SEHR zufrieden mit ihm seien und er eine Verlegerin für Kinderbücher wisse, die ihre Ware auf Gran Canaria verkauft! Fast hätte ich angebissen, aber nur fast... "Ich könne mich ihm ruhig anvertrauen!" flötete er. Himmel, mußte der Mann es nötig haben seine Harmlosigkeit in solch lauten Tönen zu preisen. Ich packte ihm 2 Tontöpfe auf den Gepäckträger seines Fahrrads. DA, ein roter Liegestuhl. Einer aus Holz, wie man sie in alten Slapstickfilmen sieht, in dem sich der Schauspieler alles möglich und unmögliche in kürzester Zeit klemmt. Toll!! ... und auch noch rot lackiert. Der mußte auch noch mit. Die Sonne stach, unter meinem schwarzen Kleid herrschten mindestens 50 Grad, mein Begleiter rötete sich.

Ich trennte mich von ihm vor meiner Haustür. Er war sichtlich enttäuscht, aber wie er schon vor einiger Zeit richtig bemerkte, stand der Mars ungünstig und da sind die Leute dementsprechend ungehobelt.

Zwei Tage später brach ich durch das morsche Gewebe meines "neuen" Liegestuhls. Wie im Film. Als ich lachend und verknotet auf dem Boden lag, kam mir der Gedanke, dass es nur einer gewesen sein konnte: DER MARS WARS!

Ulrike Geilfus

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© 2001 by Ulrike Geilfus
Erstellt am Di, 29.04.03, 09:46:09 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/berichte/manna.shtml

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