Jeden Morgen mache ich mir einen Plan. Auch den, was ich einkaufe. Ich brauchte nur Tee und Nudeln, nahm meinen Leinenbeutel, um die Beute abschleppen zu können. Zielstrebig wand ich mich an den Kassen vorbei, um Gemüse, Brot und Käse zu umgehen. Weg abkürzen. Lässig zog ich meine Bahn und stand vor den Nudeln. Ohne zu zögern, nahm ich die Sorte, die auch großnasige Extennisprofis bevorzugen und blieb zu meiner eignen Verwunderung vor dem Regal stehen, um unverwandt weiterhin die Nudeln anzustarren. Irgendwas stimmte nicht, aber es dauerte, bis mir dämmerte: "Der Supermarkt ist umgeräumt!!" In diesem Regal stand früher der Tee. Dass Nudeln auch auf meinem Wunschzettel standen, war der pure Zufall, aber wo war der Tee??
Irritiert und orientierungslos eierte ich durch den Supermarkt. Tütensuppen, dreistöckig und meterbreit hatten italienischen Spezialitäten weichen müssen. Die Milch stand bei der Tiefkühltruhe, Hundefutter statt Kekse, das kruschtige Sonderpostensortiment an der Kasse. Die Versuchung, der man erliegen soll, wenn man sich in der Schlange langweilt. Wo ist der Tee? Der stand noch nie da, wo man ihn logischerweise vermutete, beim Kaffee, aber jetzt!!
Die Kaffeegenießer und Teeschlürfer nähern sich. Endlich der Tee!!
Ich werde, wenn ich Zeit und Muse habe, in das Labyrinth unseres neusortierten Supermarktes eintauchen und auf Entdeckungstour gehen. Die Preise sind größer, also besser lesbar, aber leider nicht niedriger geworden. Man hat an uns Sehbehinderte gedacht. Ich beobachte oft alte Leute, die genauso ratlos und verloren zwischen den Regalen auf Nahrungssuche sind. Denen mache ich gern das Angebot, dass sie meine Ware suchen und ich die ihre finde und wir uns wieder zum Tauschen treffen. Das bringt Spass und meistens noch ein nettes Gespräch und ich fühle mich nicht so allein mit meinem Handicap.
Ulrike Geilfus
© 2003 by Ulrike Geilfus
Erstellt am Sa, 19.04.03, 09:46:09 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/berichte/sm.shtml