Liebe Freunde!
Gestern war Himmelfahrt und zum Gottesdienst traf man sich auf dem
Flughafengelände der Pohlheimer Segelflieger. Tolles Wetter. keine Wolke.
Sonnenschutzfaktor 8 auf dem Buckel nahm ich Platz. Fetzige Musik, genervte alte Leute, die lieber Zünftigeres gehört hätten. In der Predigt wurde auf die Wichtigkeit des Towers hingewiesen. Abhängigkeit, Vertrauen, Kompetenz und wie anders es sei ein Modellflieger oder ein echter Mitflieger zu sein.
Weiß der Geier, ich hatte einen Anflug von Leichtsinn und tönte rum, das ich gerne mit dem Gleitflieger mitdüsen wolle. Rasch sammelte sich eine Gruppe "Modellflieger" um mich, die sehen wollten, wie ich in die Luft gehe. Ich suchte mir also einen von diesen Typen, die ein Segelflieger-t-shirt auf der behaarten Brust trugen, fand einen und wedelte mit dem 50-DM-schein. Ein abschätzender Blick auf mein Outfit. Sandalen? Nein, festes Schuhwerk muß es sein, denn man muß laufen!!! Huch, ich wollte doch FLIEGEN. .... und eine Windjacke sollte es auch sein. Julia bot an mir die passenden Sachen zu leihen.
In ihrer Wohnung raunte mein Verstand: "Geh heim, keiner zwingt dich da hoch!"
Aber ich bin wieder hoch auf den Flugplatz, wedelte mit meiner neuen Ausrüstung. Tobi hatte seine Windjacke in Gedanken schon abgeschrieben, denn er erwähnte, das er eh eine neue kaufen wolle.
An einem Caravan wurde ich eingewiesen. Ich bekam den dicken Rucksack auf den Buckel und als mir die Schenkelriemen angeschnallt wurden, stellten die Kerle peinlich berührt fest, dass ich einen Rock trage. Den hatte ich schließlich vorher auch angehabt, betonte ich, und keiner hatte es moniert. Schweigen. Dann der Vorschlag einen Overall von einem der Kerle anzuziehen.
Also im Overall, den Rucksack bis an die Kniekehlen hängend, stand ich da und sollte mich nach hinten stemmen (Kommando zu "Seil straff"), dann, wenn das Seil straff ist, laufen, laufen, laufen ......
erst bei dem Befehl "Setzen" in die Rucksacktasche zurückrutschen. Vor mir ein Bügel, an dem das Seil einklinkt und auf Befehl ausgeklinkt wird.
So weit so gut. Auf der Picknickdecke die Gruppe der Gemeindemitglieder mit erwartungsvollen Blicken. Weia. Kurze barsche Anweisung in den Lepo zu springen und gefälligst mit Gepäck. Lepo? Das ist ein umgebauter Opel (Opel rückwärts heißt Lepo), mit dem rumgegurkt und unter anderem auch das Schleppseil geholt wird. Wir fuhren das läppische Stück von 70 Metern. Merke: ein Flieger läuft nur, wenn er danach auch in die Luft kann, also mit senkrechtem Ziel. Alles in der horizontalen wird gefahren.
Die Spannung stieg, weil ich nun das Basislager erreicht hatte. Ein Blick auf den Windsack zeigte, dass sich nichts regt. Wolfgang, der Gleitschirmpilot, quetschte sich in seine Uniform, baute alles auf, um einen Probeflug zu machen. In Erwartung von "Seil straff" standen er und sein Kollege sich die Beine in sengender Hitze in den Bauch. Kein "Seil straff", weil "Sack schlapp".
So viel Spannung ertrage ich nur mit Mühe. Ich orderte mir einen der Segelflieger, um mich zum Klo zu lotsen. Ein Gang quer über die Piste ist gefährlich, und ich wollte mich nicht köpfen lassen.
Als ich eskortiert zurückkam, standen die beiden noch immer in der selben Stellung. Dann endlich ein Windhauch, der mit Mühe die beiden massigen Männer vom Boden hob. Aber nicht weit. Eine kleine Schleife und sie waren wieder da. Warten .... meine "Modellflieger" wollten nun den genauen Flugtermin erfahren .... Gleitflieger müssen warten .... Norbert kam angehechelt mit der Videokamera, aber "Sack schlapp". Mittlerweile raunte mein innerer Schweinehund: "Vielleicht geht dieser Kelch, bzw. Gleitschirm, an dir vorüber." Den Vorschlag es gegen Abend nochmal zu versuchen, nahm ich dankbar an.
Trotz der Anregung für Wind zu beten, rührte sich nichts zur Mittagszeit. Ein Entkommen gab es nicht, da Irmtraud und Norbert anboten, mich mit dem Auto zu holen und zu bringen und alles auf Video zu bannen. Bügeln hilft beim Spannung abbauen, nichts desto trotz verknoteten sich meine Gedärme. Ich hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und getrunken und mich in der Wartezeit an nichts Essbares herangetraut.
Wieder im Basislager. Der Typ mit der spacigen Brille behauptet, dass es heuer keinen Wind mehr gäbe. Mein jauchzender innerer Schweinehund wurde durch die Ankunft Wolfgangs zum Schweigen gebracht. Es sei ein guter Wind und ob ich wirklich wolle und ich sähe richtig gut aus mit meinen Jeans, den Wanderstiefeln, Pulli und Windjacke. Zumindest aus flugtechnischer Sicht.
Kein Entrinnen. Wieder den Sack auf, anschnallen, Handschuhe, der Helm paßt auch. Vor Wolfgang aufbauen, einklinken bei ihm, einklinken am Seil. Abhängigkeit satt. Gute Übung. Bei "Seil straff" reißt es mich fast von den Füßen, so sehr ich auch in Schräglage rumstemme. Dann laufen, laufen und plötzlich hängen meine Beine in der Luft. Ich darf mich setzen und gucke mich um. Es geht steil nach oben. Es dauert lange, bis ich das Seil ausklinken darf. Schweben, warmer Wind wie eine Samtdecke auf der Haut und dazu noch das geniale Gefühl diesem Mann hinter mir voll vertrauen zu können. Was ist Pohlheim so popelig. Die Sonne blendet. Auf gleicher Höhe ein Segelflieger. Ein paar Schleifen, und es geht wieder abwärts. Ich sitze wieder vorne auf der Kante, denn gleich muß ich laufen, laufen, .... Saftlos wie ich bin, reißt es mich nach hinten, und ich liege wie ein zappelnder Käfer auf dem Buckel. Egal, ich werde gelobt. "Gut gemacht, Brigitte". Ich höre auf alle Namen, mir egal, ich will wieder da hoch und seufze, dass das ganz toll, aber leider viel zu kurz gewesen sei. Ich darf nochmal, hihi.., muß aber warten. Brigitte ist zäh, Brigitte will fliegen!
Nach einer Stunde gehts nochmal in die Höhe. Der Wind steht noch besser und wir sind sehr hoch, nehmen noch ein Luftlöchlein mit, drehen, gaffen, genießen. Norbert und Irmtraud haben alles im Griff und hören sich mein verzücktes Geschwafel an. Das ist einer dieser Momente, wo ich es sehr bedauere, Single zu sein. Mit meinen Erlebnissen zu Hause allein zu sein und niemandem sofort davon erzählen zu können, hätten mich wohl platzen lassen. Mein Bodenpersonal hat mich davor gerettet.
In der Nacht schaukelte mein Bett, die Bettdecke war wie der Wind und heute ist mir schwindlig. Mein Innenohr lechzt nach dem sanften Geschaukel, was die genormten Fußböden einfach nicht hergeben. Ich überlege schon, wann ich das nächste Mal .... Im Übrigen wird "Brigitte", wenn sich die Gelegenheit ergibt, einen Tandemfallschirmsprung machen. Sie hat sicher nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber so ist sie eben die Brigitte.
Ulrike Geilfus, in Fliegerkreisen auch unter dem Namen Brigitte bekannt.
© 2002 by Ulrike Geilfus
Erstellt am Mo, 10.02.03, 08:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/reise/flieger.shtml