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Ein weites Land
Go West
- eine Reise durch Kalifornien,
Arizona, Utah
und Nevada

Ich möchte Sie auf eine Reise in ein weites Land mitnehmen und gleichzeitig versuchen auf die immer wieder gestellte Frage zu antworten, wie blinde Menschen Eindrücke sammeln und welche bleibenden "Bilder" dabei entstehen.

Wir sind nach mehr als 11 Stunden Flug in Los Angeles gelandet und bekommen sofort einen Eindruck von den Dimensionen, die uns hier erwarten, hat doch der Flughafen 10 Terminals (zum Vergleich: Frankfurt hat 2). Auch wird eine meiner vorgefassten Meinungen korrigiert. Mit Amerika habe ich bisher riesige Wolkenkratzer assoziiert, aber Los Angeles ist die Stadt der Einfamilienhäuser. In den Geschäftsvierteln gibt es sie, die hohen Türme, aber das Stadtbild prägt eine erstaunliche Weitläufigkeit: breite Straßen, einstöckige Häuser, Vorgärten und viele Autos, denn hier fährt man selten mit öffentlichen Verkehrsmitteln - und kaum jemand scheint zu Fuß zu gehen.

Auf unserer Rundfahrt besuchen wir das älteste Haus, das 1818 von Don Avila, einem Bürgermeister von Los Angeles, aus Adobe (Backstein aus Lehm und Stroh) erbaut wurde. Der Weg dorthin führt uns durch einen mexikanischen Markt, wo die Rhythmen der Gitarren zum Verweilen, ja zum Tanzen einladen und die Gewürze duften.

Kurz darauf bewundern wir in Hollywood die Hand- und Fußabdrücke, die in die Gehwege eingelassen sind, und treffen dabei auf so manch bekannten Namen.

Der "Stern" für Elton John

Bildbeschreibung: Der Stern von Elton John

Und wir staunen nicht schlecht über die vielen verkleideten Gestalten, die offenbar zur Belustigung der Touristen und zur Freude der Kinder durch die Straßen ziehen.

Auf der Weiterfahrt kommen wir durch das berühmte Beverly Hill, wo Busse aus Sicherheitsgründen nicht einmal halten dürfen und schließlich landen wir am Strand von Santa Monica, dem Touristenparadies am Pazifik, der sich so gar nicht friedlich zeigt.

Es wird Zeit, Sie mit Maria bekannt zu machen, unserer Reiseleiterin durch den Südwesten Amerikas. Sie wird uns auf der Route durch Kalifornien, Arizona, Utah und Nevada wieder zurück nach Kalifornien begleiten. Maria ist für uns Anlaufstelle in allen Belangen: Sie beantwortet unsere neugierigen und manchmal kuriosen Fragen, schlägt in Lexika nach, ist unser "fahrendes Postamt", zeichnet Skizzen, erfüllt Sonderwünsche und gibt uns einen Einblick in die amerikanische Lebensweise. Sie ist in den Sechzigerjahren mit einem amerikanischen Besatzungssoldaten aus dem Rheinland hierher gezogen und arbeitet seit nun 15 Jahren als Reiseleiterin. Sie hält daher eine Flut von Informationen für uns bereit.

Der Landkreis Los Angeles besteht aus insgesamt 83 Städten, die nahtlos ineinander übergehen und zusammen eine Fläche so groß wie ganz Österreich haben. Kalifornien hat 36 Millionen Einwohner und eine Gesamtfläche von 412.000 Quadratkilometern. Es erstreckt sich entlang der Pazifikküste als ein 200 bis 300 Kilometer breiter Streifen zwischen dem 32. und 42. Breitengrad.

Aber vorläufig genug von Zahlen. Wir wollen ja das weite Land erforschen und darum bleiben wir auch nur einen Tag in L.A.. Die nächsten 14 Tage werden wir in unserem voll klimatisierten Bus mit Wayne als Chauffeur und Maria auf einer Strecke von ca. 5000 Kilometern Wüsten durchqueren, hohe Gebirgszüge mit verschneiten Gipfeln passieren, berühmte Städte ebenso wie das gigantische Coloradotal und einige Nationalparks besuchen, um Eindrücke über ein weites Land zu sammeln, in dem Entfernungen eine andere Bedeutung zu haben scheinen als bei uns. Wir lernen mit anderen Größen umzugehen und bezeichnen bald eine Distanz von 400 Kilometern als "nah".

Vorerst jedoch übernachten wir in L.A. in einem Hotel, das ganz im marokkanischen Stil gestaltet ist. Wir sind einigermaßen überrascht, als wir entdecken, dass man sich nicht nur die Mühe gemacht hat das gesamte Hotel stilgerecht zu gestalten, sondern alle Zimmernummern in großen, gut sichtbaren und tastbaren Ziffern sowie zusätzlich auch in Blindenschrift zu beschriften.

Das Kodak-Theatre in L.A., wo die Oscar-Verleihungen stattfinden

Bildbeschreibung: Das Kodak Theatre in L.A.

Am nächsten Morgen verlassen wir L.A. und fahren nach Süden. Unser heutiges Ziel ist San Diego, das nahe an der mexikanischen Grenze liegt. Die Stadt wurde 1602 gegründet, der Baustil ist vorwiegend mexikanische Renaissance "ohne Vorbild", also keinem europäischen Baustil nachempfunden. Die Gebäude sind meist einstöckig mit Flachdach und aus Backstein erbaut. Wolkenkratzer fehlen im Stadtbild völlig.

San Diego ist die zweitgrößte Militärstadt der Staaten, und es ist wohl kein Zufall, dass gerade hier so viele Soldaten stationiert sind. Maria erzählt, dass in der Stadt selbst und im Umland viele mexikanische Flüchtlinge anzutreffen sind, die mehr schlecht als recht ihr Dasein fristen. Viele gehen an Armut und den harten Bedingungen in der Wüste, in der sie sich verstecken, auch zugrunde. Kalifornien ist der reichste Bundesstaat Amerikas, und doch begegnet man auch hier Armut und Elend.

1916 war anlässlich der Eröffnung des Panamakanals in San Diego die Weltausstellung. Ein einziges Gebäude legt davon noch heute Zeugnis ab. Es steht mitten in einem 500 Hektar großen Park, in dem sich auch viele Museen befinden.

San Diego hat auch einen beeindruckenden Hafen. Dort liegt ein Segelschiff aus dem Jahre 1860, die "Star of India", die noch voll seetüchtig ist.

Am Tag darauf ändern wir unsere Reiserichtung, fahren nun nach Osten und verlassen den Pazifik und damit das fruchtbare Küstenland. Wir treffen auf den Unterlauf des Colorado und sind enttäuscht: Welch ein Rinnsal! Maria erklärt uns, dass der Colorado so wenig Wasser führt, weil an seinem Verlauf (2333 km) insgesamt 21 Staudämme zur Bewässerung von Kalifornien, Arizona und teilweise Utah und Nevada errichtet wurden.

Auf der Weiterfahrt verändert sich die Vegetation. Maria berichtet über Fauna und Flora. In den tieferen Lagen, die wir vorerst durchqueren, finden sich Schlangengras, California Oaks (Steineichen) und Sagebrush (wilder Salbei) sowie die Chollas, eine Art Dornbusch, von denen die Indianer behaupten, sie würden Menschen "anspringen", sobald man ihnen zu nahe kommt. Wir wissen es nicht, denn wir haben Marias Warnung, den Büschen ja nicht zu nahe zu kommen, geschweige denn anzufassen, aus purer Vernunft beherzigt.

Kahler Berg in der Wüste von Arizona

Bildbeschreibung: Kahler Berg in der Wüste von Arizona

Sodann kommen wir ins Gebirge und klettern bis 1200 Meter hoch. Hier leben Pumas, Stinktiere, Kaninchen, Rennkuckucke, Schwarzbären, Rotwild, Eidechsen und Schlangen sowie Geckos. auch wachsen hier Lupinien, Palmen und Wacholder.

Wieder im Tal, halten wir an einer Raststätte und machen Bekanntschaft mit den großen Trucks, mit denen hier Güter transportiert werden.

Trucks - die großen Brüder unserer LKWs

Bildbeschreibung: Trucks

Da die Strecken lang sind, sind viele der Fahrzeuge mit einer Schlafkoje oberhalb der Fahrerkabine ausgestattet. Und die Raststätte, an der wir halten, bietet diesen Fernfahrern nicht nur eine Tankstelle, sondern auch Duschen, Waschmaschinen, einen Drugstore und nicht zuletzt ein richtiges Wohnzimmer mit Fernseher, in dem sie sich ein wenig erholen können.

Wir nähern uns der Grenze von Arizona. Vor uns liegt die Stadt Yuma und wir verlassen Kalifornien.

Yuma war einst bekannt/berüchtigt für sein Gefängnis. Die Zellen der Häftlinge waren nur durch Gitterstäbe abgesichert. Sie waren also tagsüber der brütenden Hitze und nachts der empfindlichen Kälte hilflos ausgeliefert.

Maria kommt während der Mittagspause ins Gespräch mit einer Dame, die neugierig fragt, wohin denn "all die Leute" (sie meint wohl die vielen blinden Menschen) unterwegs sind. Maria erklärt ihr, dass wir auf dem Weg nach Phoenix, der Hauptstadt von Arizona, sind. Die Dame meint daraufhin: "Oh, da haben Sie aber großes Glück. Ich komme von dort und es ist zurzeit angenehm kühl, nur 34 Grad." Diese Auskunft, von Maria im klimatisierten Bus bei 20 Grad überbracht, löst bei uns ein wenig Heiterkeit aus, denn wir würden uns freuen, nach dem langen, kalten Winter (und dem frostigen Reisebus) ein wenig Sonne und wärme zu tanken.

Arizona ist nur halb so groß wie Kalifornien. Auf einer Fläche von 291.000 Quadratkilometern leben nur 4 Millionen Menschen und davon ein Großteil in den Ballungszentren. Wenn man das Land betrachtet, wundert einen das nicht, denn es ist karg und kann seine Bewohner kaum ernäheren. Welch ein Kontrast zu dem Obst- und Gemüsegarten Kalifornien!

Landschaft in Arizona

Bildbeschreibung: Landschaft in Arizona

Und während wir weiter nach Osten fahren, steigt die Temperatur stetig an und die Wüste umfängt uns mit Weite und Stille. Die amerikanischen Wüsten sind übrigens, wie schon anhand der Vegetation festzustellen ist, keine Sandwüsten, sondern eine Art Steppe. Zu dieser Kategorie gehört auch die Sonorawüste, in der wir uns jetzt befinden. Da es in dieser Gegend kaum Niederschläge gibt und der Pro-Kopf-Verbrauch an Wassser täglich ca. 1000 Liter beträgt!, ist die nächste Wassernot so gut wie vorprogrammiert.

Inmitten dieser kargen Landschaft liegt die Hauptstadt Arizonas. Phoenix trägt seinen Namen nicht zu Unrecht: Schon vor 2000 Jahren hatten sich hier Indianer angesiedelt und das unwirtliche Land mittels Wasserzuleitung aus den Bergen durch Kanäle bewässert. Gegen 1500 verschwanden die Siedler spurlos und man weiß nicht, wie es dazu kam. Als aber gegen 1900 die ersten Weißen hierher kamen, fanden Sie die alten Kanäle vor und begannen diese zu reaktivieren. Und wie Phoenix aus der Asche entstand eine neue Stadt.

Wir sind im modernen und sehr vornehmen Stadtteil Scottsdale untergebracht, und ich verlasse Sie nun mit dem Versprechen, Sie pünktlich zum nächsten Teil der Reise hier wieder abzuholen.

Eva Papst

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© 2004 by Eva Papst
Erstellt am Mo, 13.12.04, 09:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/reise/land1.shtml

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