Ich möchte Ihnen von der Kreuzfahrt berichten, die ich gemeinsam mit meiner Frau mitte November 2003 im westlichen Mittelmeer und Atlantik unternahm. Meine Zeilen entbehren sicher der genauesten Schilderung der Sehenswürdigkeiten. Sie sollen vielmehr die Eindrücke vermitteln, die ich als vollblinder Tourist mitnehmen konnte.
Um 22 Uhr sitzen wir im Autobus, um die Strecke von über 1000 Kilometer zwischen Wien und Savona in Angriff zu nehmen. Nach etwa zwei Stunden Fahrt müssen wir aussteigen, uns in einem anderen Bus platzieren. Begründet wird das damit, dass nur ein Chauffeur zur Verfügung steht, der uns bis nach Savona bringt.
Wir machen zwei halbstündige Pausen, in welchen wir den Bus verlassen müssen. Das sind Sicherheitsvorkehrungen, denn einschließen darf uns der Fahrer nicht, offen lassen kann er in Italien sein Gefährt auch nicht.
Knapp nach 10 Uhr kommen wir in Savona an. Das ist ein liebliches, kleines Hafenstädtchen, 45 Kilometer westlich von Genua. Wir haben bis 13.30 Uhr Zeit, um eine Kleinigkeit zu essen und spazieren zu gehen.
Dann beginnt das Procedere der Einschiffung. Noch im Bus wurden von Angestellten der Kreuzfahrtgesellschaft Nummern verteilt. Diese werden per Lautsprecher aufgerufen. Wir sind die Dritten, die hinein dürfen. Uns wird je eine Karte ausgehändigt, die sowohl Ausweis, als auch Zahlungsmittel an Bord ist. Auf Deck 5 haben wir die Kabinennummer 5092, in deren Inneren es recht geräumig ist. Nur die Nasszelle ist sehr eng.
Zitat aus dem Prospekt: "Die COSTA ALLEGRA läuft um 16.00 Uhr im Hafen von Savona aus." Das hatten wir auch geglaubt. Erst gegen 17 Uhr konnte man ablegen. Wir kriegten das gar nicht so richtig mit, denn da mussten wir an der verpflichtenden Rettungsübung teilnehmen. Das empfinde ich als einen leichten Hohn, denn vorgewarnt stehen die ganzen Gäste mit Schwimmwesten bewaffnet in den Sektionen und warten auf Entwarnung. Seit dem Untergang der Titanik ist diese Übung aber vorgeschriebenes Seerecht.
Die erste Nacht auf See verläuft völlig ruhig. Man spürt das Schaukeln überhaupt nicht.
In Barcelona treffen wir gegen 12 Uhr ein. Um 13 Uhr beginnt die Ausschiffung zur Stadtrundfahrt. Will man das Schiff verlassen, muss man jene, bereits erwähnte Karte vorweisen oder diese in das Zählgerät stecken. So wird registriert, dass man sich nicht mehr am Schiff befindet.
Die kathalanische Hauptstadt ist für mein Empfinden furchtbar. Man muss äußerst vorsichtig sein, um nicht beklaut zu werden. Unserem Reiseleiter wird aus dem Bus und trotz darin befindlicher Fahrgäste die Handtasche gestohlen. Im Menschengewühl ist es unsagbar laut, der Verkehrslärm trägt das Seine zu meiner unsicheren Stimmung bei.
Wir sehen viele Werke des Architekten Gaudi, wie beispielsweise den Dom Familia Sacra, dessen Vollendung wohl noch länger auf sich warten lassen wird, und haben Zeit, einen Einkaufsbummel zu machen. Ich bin aber froh, um 18.30 Uhr an Bord gehen zu dürfen. Um eingelassen zu werden, benötigt man die Karte und ein mindestens sechs Monate nach Beendigung der Kreuzfahrt gültiges Reisedokument.
Um 19 Uhr legen wir ab und nehmen Kurs auf den Atlantik.
Der Tagesablauf an Bord spielt sich meist wie folgt ab: Zwischen 7 und 10 Uhr ist Frühstück. Man kann aus einem reichhaltigen Buffett wählen und genauso jede Menge von Köstlichkeiten, wie Rühreier, Würstchen udgl. servieren lassen. Um 12 Uhr ist dann ein reichhaltiges Mittagessen, um 16 Uhr gibt es Tee und Kuchen, am Abend, zwischen 18 und 21 Uhr, wird ein mindestens siebengängiges Menü kredenzt, die man natürlich nicht alle auskosten muss. Gegen Mitternacht ist ein Buffett zu verschiedensten kulinarischen Themen aufgebaut. Wenn man noch nicht genug hat, gibt es Snacks, Kaffees, Bars.
Es bestehen verschiedenste Möglichkeiten, sich an Bord zu vergnügen. Wir haben sehr oft "Bingo" gespielt, ein Casino lädt dazu ein, Geld zu verspielen. In Boutiquen können Kleider, Schmuck, Parfum erstanden werden. Fotos werden in allen möglichen und unnötigen Situationen gemacht. Natürlich hofft man seitens der Kreuzfahrtgesellschaft, dass die Bilder gekauft werden. Ebenso gibt es ein Video von der Reise, das wir nicht bestellen. Viele Animateure versuchen, die Gäste bei Stimmung zu halten, Mir sagen sie aber nicht zu. Sie sind zu ausgeflippt, nur der Chef, der "Mr. Bingo" beherrscht einigermaßen deutsch, obwohl man uns im Prospekt versprach, dass es beherrscht wird. Am Abend gibt es Shows, Modevorführungen, Konzerte in einem dafür geschaffenen Theater. Eine Disco lädt zum nächtlichen Wachbleiben ein.
Um 21 Uhr beginnen wir mit der Durchfahrt durch die Straße von Gibraltar, die das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet. Das ruhige Schaukeln gehört der Vergangenheit an, die Wellen sind deutlicher zu spüren, oft ruckartig und heftig.
Um acht Uhr schiffen wir aus. Wir besteigen einen Bus, der uns nach dreistündiger Fahrt nach Marakesch bringt. Es ist furchtbar laut, viele Menschen bedrängen uns, irgend Etwas zu kaufen oder Dienste, wie schuheputzen, in Anspruch zu nehmen. Die Stadt ist groß, laut, ungemütlich. Das dort kredenzte Mittagmahl ist gut, aber sehr wenig.
Bei der Heimfahrt machen wir einen Abstecher über Casablanca, wo uns der Fremdenführer die toll beleuchtete König-Hassan-Der-Zweite-Moschee zeigt. Unser Guide erzählt viel über den Islam, den er überzeugt zu leben scheint. Wwir befinden uns im Ramadan, dem Fastenmonat. Da ist es erwachsenen Menschen zwischen Sonnenauf- und -untergang nicht erlaubt, irgendwelche Nahrung zu sich zu nehmen. Ausnahmen sind kranke Menschen, Frauen, die stillen oder die Periode haben.
Ich bin froh, dass wir knapp nach 20 Uhr wieder an Bord dürfen.
Der Atlantik "schaukelt ganz schön". Ich kann zwar schlafen, werde aber immer von dieser Bewegung begleitet. Mein Magen hat kein Problem, das Orientieren ist mir schier unmöglich.
Um 13 Uhr schiffen wir zu einer Reise nach Turandant aus. Das ist eine altertümliche Stadt, in welcher einige Bazzare gezeigt werden. Wir erstehen einigen Krimskrams.
Um 19 Uhr geht es bereits wieder weiter.
Das ist für mich der interessanteste Landausflug. Mit dem Bus geht es etwa eine Stunde in das Inselinnere. Dort besteigen wir zu Zweit ein Tromedar. Einige, die mich kennen, mögen nun sagen: "Das arme Tier!" Zu deren Beruhigung möchte ich anführen, dass diese Tiere bis zu 300 Kilogramm tragen können. Man setzt sich bequem in eine Art Sessel, so, wie man sich eine Senfte vorstellt, dann wird ein Gurt befestigt. Ich war zunächst nicht sicher, ob das nötig ist, doch beim Aufstehen und Niederlegen des Tieres bin ich dankbar, dass ich angegurtet bin. Das Wüstenschiff schaukelt uns etwa 20 Minuten durch die zerklüftete Lavagegend.
Danach erleben wir mit, wie durch die enorme Hitze Pflanzen innerhalb von Sekunden zu brennen beginnen und eine Art Geysier entsteht. Das ist ein akustisches Schauspiel der Sonderklasse, welches ich natürlich mit meinem Kassettenaufnahmegerät festhalte. Im Nationalpark darf Niemand zu Fuß gehen, da neben den Straßen, die nur von Bussen befahren werden, der Boden zu heiß wäre.
In der Hauptstadt angekommen, prominieren wir am Hafen, bevor wir gegen 17.30 Uhr einschiffen und eine halbe Stunde später abfahren.
Diese Insel gibt für mich überhaupt nichts her. Wir fahren mit dem Bus kreuz und quer, Eindruck bleibt keiner hängen.
Das Schiff liegt bis Mitternacht dort, weil es bis La Palma nicht weit ist. Wir hätten die Möglichkeit, abends an Land zu gehen, doch wir lauschen lieber einem klassischen Konzert an Bord.
Diese Insel ist noch kleiner und unscheinbarer. Wir durchfahren sie zwar auch, gehen am Hafen spazieren, schiffen aber schon gegen 15 Uhr ein, obwohl wir erst um 17 Uhr abfahren. Gran Canaria hätte mich mehr interessiert.
Es schüttet beinahe den ganzen Tag. Wir fahren zu den zweithöchsten Klippen der Welt, können die Wellen ans Land anschlagen hören, was sich leider ob des starken Sturmes nicht gut auf Kassette aufnehmen lässt.
In Monte, einem Vorort der Hauptstadt, fahren wir mit einem Korbschlitten, in welchem zwei Personen Platz finden, bergab. Er wird von zwei Männern gezogen bzw. zurückgehalte, die auf der abschüssigen Strecke ganz schön laufen müssen. Dazu kommt der nasse Asphalt, der es für die beiden Madeirenser noch schwerer macht. Wir kommen aber sicher an und stünden im ströhmenden Regen, wenn wir nicht in einem Souveniershop Unterschlupf fänden, bis der Bus kommt.
Was die Menschen an Madeira begeistert, kann ich nicht nachvollziehen. Das liegt aber sicher auch daran, dass wir relativ wenig, aber viel Regen, gesehen haben.
Wir genießen das Bordangebot, schlafen viel. Die Ausflüge waren doch sehr anstrengend.
Am Abend ist das dritte und letzte Captains-Dinner. Wie zur Begrüßung am vorigen Sonntag auch, wurden wir vor dem festlichen Mahl zu einem Drink eingeladen. So wie vor sieben Tagen schwingt der Herr Kapitän auch heute eine kurze Rede, um uns dann zum Speisesaal zu entlassen.
Einer meiner größten Wünsche geht leider nicht in Erfüllung. Ich hätte gerne die Kommandobrücke besichtigt, mich über die Maschinen informiert. Da unsere Kreuzfahrtgesellschaft ein amerikanisches Unternehmen ist, darf seit dem 11. September 2001 aus Sicherheitsgründen die Kommandobrücke nicht mehr betreten werden. Sehr, sehr schade!
Um 01.30 Uhr fahren wir wieder durch die Straße von Gibraltar. Wer allerdings glaubt, das Geschaukle wird weniger intensiv, täuscht sich. Aufgrund von Stürmen ist das Mittelmeer aufgewühlt.
In Malaga verlassen wir um 8 Uhr das Schiff. Wir sehen die Stadt und fahren nach Granada, um die weltberühmte Al Hambra zu besichtigen. Die dortige Fremdenführerin versucht sehr, auf mich einzugehen, lässt mich Einiges anfassen. Die Löwen im gleichnamigen Palast darf ich trotz Bemühens von Kristina nicht betasten. Trotzdem finde ich es toll, wenn sich Menschen Gedanken darüber machen, Nichtsehende die Architektur begreifen zu lassen.
Wir fahren am Nachmittag durch die bereits verschneite Siera Newada, durchqueren eine Wüstenlandschaft, finden uns wenige Kilometer danach in Obst- und Gemüseplantagen wieder. In Almeria gehen wir nach einer interessanten Busfahrt an Bord.
Die Leute, welche an diesem langen Ausflug nicht teilnehmen, sind bereits um 13 Uhr in Malaga los gefahren, stoppen fünf Stunden später, um uns einsteigen zu lassen.
Langsam heißt es, von den Annehmlichkeiten des Luxus an Bord Abschied zu nehmen. Die Koffer werden gepackt. Sie sind beinahe nicht zuzubringen, denn natürlich haben wir einige Mitbringsel erstanden. Ich habe zwei CDs mit Musik der an Bord spielenden Damen, die sich "Caffe Concerto Strauss" nennen und das klassische Konzert bestritten und einen Tonträger mit spanischer Folklore mitgebracht.
Ziemlich pünktlich um 10 Uhr kommen wir am Zielort an. Bereits eineinhalb Stunden zuvor müssen wir die Kabinen verlassen. Die Crew bereitet sie für die am selben Tag startende Kreuzfahrt nach Rio vor. Wir sitzen am in der Bordzeitung anancierten Treffpunkt und warten und warten.
Um 11.30 Uhr verlassen wir mit dem Bus Savona. Da es schüttet, dauert die Rückfahrt um zwei Stunden länger. Außerdem macht der Fahrer in Völkermarkt, Kärnten, einen vom Gesetzgeber verordneten einstündigen Stopp, den wir zum Abendessen nutzen. um knapp nach ein Uhr kommen wir am Westbahnhof an und fahren mit dem Taxi heim.
Alles in Allem haben wir auf See 6.325 Kilometer zurück gelegt, etwa 3.500 zusätzlich mit verschiedensten Autobussen. Zwölf erlebnisreiche, anstrengende Tage gehören der Vergangenheit an, während acht Landausflügen wurde viel von uns gefordert. Ich kann aber aus vollster Überzeugung sagen, dass dies nicht meine letzte Kreuzfahrt war.
© 2004 by Walter Lindner
Erstellt am Do, 08.07.04, 10:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/reise/mittelmeer.shtml