Ich befinde mich auf dem Weg zur Arbeit. Er ist mir bestens bekannt, und ich komme zügig voran. Gleichmäßig pendelt mein Stock vor mir her und sichert den nächsten Schritt. Ich bin eine Stunde später unterwegs als gewöhnlich, was sich deutlich bemerkbar macht. Viel häufiger als sonst stoße ich auf Hindernisse. Und auch der Verkehrslärm ist lauter, was andere, vielleicht auch wichtige Geräusche überdeckt. Aber ich habe es ja bald geschafft.
Da - abrupt bleibe ich stehen. Irgendwas ist anders als sonst. Es riecht so komisch. Sicher zur Abwechslung mal wieder eine Baustelle. Im Sommer war die Stadt eine einzige Baugrube. Doch der liegt hinter uns. Aber die Baustellen sind immer noch da.
Langsamer gehe ich weiter. Und schon stößt mein Stock an etwas Weiches. Was ist das denn? Jedenfalls keine Baugrube..Ich taste das Hindernis, das sich da vor mir erhebt, mit dem Stock ab. Und identifiziere es als Sandberg. Naja, wenns weiter nichts ist. dann habe ich ja noch Glück gehabt. Denn selbst wenn ich diesen Hügel nicht rechtzeitig gerochen hätte und über ihn gestolpert wäre, wäre ich wenigstens weich gefallen. Wie ich nach weiterer Erkundung feststelle, nimmt er den ganzen Gehsteig ein, sodass ich mich auf die Fahrbahn begeben muss.
Bald ist das Hindernis vorbei, ich trete wieder auf den Gehsteig und gehe vorsichtig weiter. Wer weiß, ob da nicht noch eine Überraschung folgt. Ein Sandberg kommt selten allein. Aber diesmal habe ich Glück und erreiche wohlbehalten meinen Arbeitsplatz.
So ungeschoren kommt man nicht immer davon. Manchmal bemerkt man Baustellen zu spät, um rechtzeitig stehenzubleiben, stürzt über herumliegendes Baumaterial oder, wenns ganz schlimm kommt, findet man sich in einer Baugrube wieder. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Löcher nicht nur mit dünnen Bändern, die leicht zerreißen, abgesichert sind. Mit dem Langstock fährt man unter diesen durch, und wenn der Stock den Abgrund erfasst, spürt man ihn meistens auch schon. Je eindeutiger Baustellen abgesichert sind, desto leichter ist es auch, herauszufinden, wo man weitergehen kann. Zäune und Absicherungen mit Brettern sind da sehr geeignet.
Durch den Lärm von Baumaschinen ist es mir oft nicht mehr möglich, abzuschätzen, wo ich sicher an der Baustelle vorbeikomme. Presslufthammer machen einen derartigen Lärm, dass mein Gehör streikt. Ich muss dann stehenbleiben und auf einen Passanten hoffen, der mich vorbeiführt. Oft registriere ich nicht einmal mehr, ob Passanten an mir vorbeigehen, die ich um Hilfe bitten könnte. Deshalb bin ich jedesmal sehr froh, wenn sie auf mich zukommen und mir weiterhelfen.
© 2000 by Petra Raissakis, Graz
Erstellt am Mi, 25.10.00, 08:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/unterw/baustell.shtml