Im Urlaub unternahmen wir auch eine gemütliche Talwanderung zu einem Gasthaus, das idyllisch an einem Bergflüsschen lag. Ein großer, schattiger Gastgarten mit Blick aufs Wasser lud zum Ausruhen ein und nachdem wir einen schönen Tisch gefunden hatten, verschwand mein Freund ins Gasthaus, um Getränke für uns zu holen.
Ich genoß das Plätschern des Wassers und das Läuten der Glocken von in der Ferne weidenden Kühen. Langsam und gemächlich näherte sich das Gebimmel, die Kühe spazierten entlang des Flusses auf das Gasthaus zu. Ich achtete erst darauf, als eine der Kühe plötzlich die Richtung änderte und auf meinen Tisch zutrottete. Wo wollte die Kuh denn hin? Als mir ihr warmer Atem in den Rücken blies, wußte ich ziemlich sicher, wo sie hinwollte. Ich überlegte in aller Eile, ob ich eine Geschichte kannte, in der ein Mensch von einer Kuh gebissen wurde. Mir fiel keine ein und ich blieb ruhig sitzen. Die Leute vom Nachbartisch waren aber schon aufmerksam geworden und beobachteten die Szene mit lauten, fröhlichen Kommentaren.
Da erschien der riesige Kuhschädel an meiner rechten Seite und voller Vertrauen legte mir die Kuh den Kopf auf den Schoß. Als sie nun zufrieden schnaubte, hielt es die Leute nicht an ihren Plätzen. Im großen Bogen (also in sicherer Entfernung) umstanden sie mich und meine Kuh und bedauerten lautstark, keine Kameras dabeizuhaben. Trotz heftiger Beteuerungen meinerseits, kein Kratzbaum zu sein, begann die Kuh nun, ihren mächtigen Schädel an meinem Arm zu reiben, wobei das Horn bedrohlich auf- und niederrieb. Jetzt entschloß ich mich doch zur Flucht und ich wechselte die Tischseite. Enttäuscht versuchte die Kuh, sich am nächsten Sonnenschirm zu reiben, aber da fuhr die Wirtin wie der Blitz aus dem Haus und vertrieb meine Freundin, indem sie wild einen Stock schwenkte.
Irgendwie gab es mir zu denken, daß der Wirtin um den Sonnenschirm bang war, Gäste hatte sie wahrscheinlich genug.
Aus: Susi, Folge 1/1999
Erstellt am Di, 07.11.00, 08:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/autoren/kuh.shtml