Heute ist vielleicht ein Tag! Es begann schon morgens damit, dass Simone zu faul war aufzustehen. Ich bin immer wieder von ihrem Bett zur Tür gelaufen und zurück, aber sie murmelte nur schlaftrunken: "Jamie, nerv' nicht rum, heute geht's eine Stunde später auf's Klo!" Menschen sind manchmal nicht ganz zurechnungsfähig. Ich für mein Teil wehre mich vehement dagegen, mir vorschreiben zu lassen, wann mich meine Blase zu drücken hat und zog ihr die Bettdecke weg. Endlich sah sie es ein und ließ mich raus.
Nun warte ich schon seit 1/2 Stunde auf mein Mittagessen, aber es interessiert niemanden! "Hast du noch nie eine Zeitumstellung erlebt? Zum Winter wird die Uhr eine Stunde zurückgestellt," weiß die altkluge Marusha zu berichten. Wenigstens fällt es ihr inzwischen immer schwerer, bei solcherart Erklärungen von oben auf mich herabzublicken. Ich bin nämlich über sie hinausgewachsen- ätsch!
Am Vormittag waren wir zwei Stunden spazieren. Auch der Tibet-Terrier Georgo war mit seinem Frauchen Eva dabei. Er ist ein 6-jähriger schon gesetzterer Herr und ich kenne ihn nun schon sehr lange. Inzwischen habe ich auch herausgefunden, an welchem Ende sein Kopf und an welchem seine Rute ist. Aber zum Toben hat er meistens keine Lust. Wir trafen heute aber auch eine Menge anderer Hunde, mit denen ich dieses ausgelassen tat. Ich vertrage mich mit allen, egal ob männlich, weiblich oder neutral und fordere jeden sofort eindringlichst auf, mit mir zu spielen. Das tut man, indem man nicht nur mit der Rute, sondern mit dem ganzen Hinterteil wild hin und her wedelnd auf sie zutanzt und ihnen die Lefzen zu lecken versucht. Die Menschen nennen Letzteres auch ein Calmingsignal, ein Beschwichtigungssignal. Die meisten Hunde nehmen es gelassen hin oder gehen darauf ein. Eine bayrische Gebirgsschweißhündin (Jagdhund) fühlte sich allerdings auf den Schlips getreten und schnauzte mich an, ich solle mich vom Acker machen und nicht Erwachsene belästigen. Diese Züchtigung unterstrich sie noch mit Fletschen ihres Gebisses (hatte schon Zahnstein, sollte es vielleicht mal mit Zähne putzen versuchen). Na, ich machte mich vorsichtshalber vom Acker und fiepte ein bisschen dabei. Jeder normal sozialisierte Hund weiß bei einem solchen Laut, dass er nun keine weiteren Unterdrückungsgesten mehr machen darf und wendet sich ab. So bekomme ich auf unseren täglichen 1-2 stündigen Spaziergängen (große Hunde wie Marusha und ich brauchen viel Bewegung) meine Lektionen, wie man sich anderen Hunden gegenüber verhält. Aber nicht nur das, ich habe auch gelernt, dass es Menschen gibt, die Fitneß und Gesundheit erobern wollen indem sie mit mehr oder weniger verbissenem Gesicht im Laufschritt durch die Gegend rennen. Oder welche, die um wichtige Termine nicht zu verpassen, in bunten, enganliegenden Trikots und windschnittigen Helmen auf Vehikeln mit 2 Rädern (Marusha nennt es Mountainbike) herangerast kommen. Wie auch immer, man muß als Hund tolerant sein und darf Anderssichbewegenden nicht im Weg stehen, sie nicht zum Spielen auffordern, anspringen oder gar in die Haxeln beißen.
Als wir vor zwei Tagen spazieren gingen, hatten wir ein ganz besonders großes Gaudi. Die Wiese war bedeckt von mindestens 10-15 cm einer weißen, weichen, feuchten Substanz, die man wunderbar mit Schnauze und Brust im Jagdgalopp durchpflügen konnte. Außerdem hat Simone daraus Bälle geformt und geworfen, die ich leider auch nach intensiver Suche an der Aufprallstelle nicht mehr wiederfinden konnte. Die lebenserfahrene Marusha erklärte diese Substanz hieße Schnee und es hätte sie im letzten Winter auch gegeben. Warum weiß die immer auf alles eine Antwort?!
Oh, nun erbarmt sich Simone doch endlich mir mein Mittagessen zu servieren. Sie tut das immer mit den Worten: "Guten Appetit, mein Liebling". Ich wünsche euch selbiges und verbleibe bis dann!
Euer Jamie
© 2003 by Simone
Erstellt am Do, 13.11.03, 08:50:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/hund/jamie3.shtml
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