Er ist von Geburt an blind. um seinem Leben Sinn zu geben und sich ein Solches "in Würde" auch leisten zu können, arbeitet er in der Telefonzentrale eines öffentlichen Betriebes in seiner Heimatstadt. Aus der Tatsache, daß er dort alleine Dienst tut erwachsen ihm zwangsläufig Probleme. Er kann nicht, wie seine Kollegen in den Abteilungen, wenn es Not tut, schnell einmal für eine halbe Stunde verschwinden um in die Trafik, zur Bank oder ins Lebensmittelgeschäft zu gehen. Im heiligen Land Tirol - das sollte der Leser zum besseren Verständnis wissen - wird nach wie vor wesentlich länger gearbeitet als z. B. im Osten Österreichs (Wien). Ausnahmen bilden allenfalls Post und Finanzverwaltung. Dienstzeiten über 17 Uhr hinaus sind nach wie vor Gang und Gäbe. Dafür sind die Mittagspausen zumeist länger und fallen in die Zeit zwischen 12:30 und 14:00 Uhr. Der aufmerksame leser ahnt bereits was kommt:
Friedolin ist blank und braucht Moneten. Doch wenn er frei hat sind die Banken geschlossen.
was nun?
Otto Normalverbraucher hat's gut. Er plündert am Heimweg ganz einfach einen elektronischen "Esel-streck-dich". Nicht anders als vor Jahren auch Friedolin. Er täte das auch jetzt noch gerne, aber unsere schnelllebige Zeit beschert ihm in immer kürzeren Abständen neue, anders gestaltete und zu bedienende Geldspucker. Unseren Otto Normalverbraucher stört das weiter nicht. Er wirft, wenn nötig, einen raschen Blick auf die Bedienungsanleitung und folgt dann mühelos den Anweisungen am Bildsichirm. Anders der arme Friedolin: Er steht mit einem flauen Gefühl im Magen vor der Maschine und hofft, daß er im richtigen Moment die richtigen Tasten drückt. Er hat bei seinem Tun keinerlei Unterstützung und muß jedesmal um den Verlust seiner Bankomatkarte bangen. Zu Anfang, als nur ein Automatentyp im Umlauf war genügte es etwa 10 Sek. nach dem Einschieben der Karte den Code plus Betrag einzugeben und die Aktion durch 2maliges Drücken der Bestätigungstaste abzuschließen um an Bargeld zu kommen. Viele Geräte funktionieren nach wie vor so. Aber welche? Andere erwarten vor der Eingabe des Codes noch die Entscheidung, ob man Bares beheben oder die "Elektronische Geldbörse" füllen will. Aber welche? Jeder Typ hat andere Zeitabläufe. Die Zeiten vom Einschub der Karte bis zur ersten Eingabeaufforderung und zwischen den einzelnen Eingaben sind uneinheitlich. Reagiert man zu früh oder zu spät, so wird dies als falsche oder unvollständige Eingabe interpretiert. Zu allem Überfluss trifft man jetzt auch auf solche Bankomaten, bei denen sich - wozu soll das gut sein? - die Bestätigungstaste an einer anderen Stelle befindet. Die von fast allen Bankomaten abgegebenen Pieptöäne helfen ihm auch nicht. Sie haben nämlich keinen, wie immer gearteten Bezug zum Geschehen auf dem Bildschirm.
Welche Version hat Friedolin gerade vor sich?
Unwillkürlich denkt er an seine Kindergartenzeit zurück. Wie hieß doch gleich dieses Gesellschaftsspiel, das so viel Spaß machte? Ach Ja!!! BLINDEKUH! Ein tiefer Seufzer entringt sich seiner Brust: "Na ja, man wird halt leider älter und die Spiele von damals machen keine rechte Freude mehr".
Es gibt Ansätze zur Lösung dieser Misere. Ich las von Diskussionen in der
BRD über sprechende Geldausgabeautomaten. Technisch ist das heutzutage
natürlich machbar. Nur: Wer soll das bezahlen? Ich fürchte: Weder die
öffentliche Hand noch die Betreiber werden sich freiwillig bereit
finden die Kosten für derartige Einrichtungen zu übernehmen. Der
Schreiber schätzt diese auf mindestens ÖS 50.000 pro umzurüstendes Gerät.
Es gibt noch andere Erwägungen die diese Lösung nicht optimal erscheinen
lassen:
- Umstehende können mithören,
- Verkehrslärm beeinträchtigt die Verständlichkeit
- ... usw.
Wie könnte billig und trotzdem effizient geholfen werden???
Mein Vorschlag:
Geldautomaten piepsen bekanntlich bei jedem Tastendruck, genauso wie Taschenrechner, Handys oder Kaufhauskassen (Quittierton). Aus dieser Tatsache sollte sich doch bei etwas gutem Willen der Betreiber und Programmierer, für unseren Friedolin Kapital schlagen lassen. Es wird doch immer wieder neue Software entwickelt und geladen. So könnten die Programmierer z.b. vorsehen, daß die wichtigsten Bildschirmmeldungen wie "geben Sie Ihren Code ein" oder "ungültige Eingabe", nicht nur optisch auf dem Schirm, sondern zusätzlich durch geeignete Tonsignale ausgegeben werden. Ich nehme an, daß man mit einem halben Dutzend gut unterscheidbarer Töne oder Tonfolgen das Auslangen finden könnte. Das ganze macht aber nur Sinn, wenn alle Automaten auf die selbe Weise und unter Verwendung der gleichdn Tonsignale adaptiert werden.
Wenn man - wer immer das sein mag - sich nicht rechtzeitig zu geeigneten Maßnahmen bereit findet und die Banken fortfahren ihre Angestellten in den Schalterhallen durch Automaten zu ersetzen, wird Friedolin über kurz oder lang seine Geldgeschäfte überhaupt nicht mehr selbstständig abwickeln können, selbst wenn er sich für den Gang zur Bank Urlaub nimmt.
Hier eröffnet sich den Verantwortlichen die Gelegenheit, den Satz aus der Verfassung Realität werden zu lassen, der da lautet: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden".
© 2001 by Fritz Brand
Erstellt am Mo, 28.05.01, 07:46:09 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/berichte/bankomat.shtml