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Im Krankenhaus ist alles anders

Im vorigen Jahr erlitt der Mann unserer Autorin einen schweren Verkehrsunfall und fiel in eine Art Wachkoma. Tag- und Nachtwachen waren dringend notwendig. Frau Bechler entschloss sich, obwohl sie blind ist, diese weitestgehend allein zu übernehmen. So lebte sie fünf Wochen im Clementinenkrankenhaus Hannover.

Hatte ich vormals in Krankenpflegeschulen im Auftrag des Blinden- und Sehbehindertenvereins mit viel Theorie und einigen praktischen Beispielen Aufklärungsunterricht zum Umgang mit blinden Menschen gegeben, so glaube ich jetzt, nach weiteren Besuchsbegleitungen in die Henriettenstiftung und die Medizinische Hochschule einige wichtige Erfahrungen gemacht zu haben. Diese weiterzugeben, ist mir ein Herzensbedürfnis.

Im Krankenhaus ist wirklich alles anders. Der blinde Patient liegt im Bett. Pfleger und Ärzte betreten das Zimmer, am Kittel das Namensschild. Wenn man nachfragt, mit wem man es zu tun hat, bekommt man gelegentlich die Antwort: "Das steht doch hier". Die Hand zeigt auf den Kittel. Nun sind aber nicht nur hochgradig Sehbehinderte und Blinde oft nicht in der Lage, den Namen zu entziffern, sondern es trifft in gleicher Weise Demente.

Ich habe während meines Krankenhausaufenthaltes großen Wert darauf gelegt, dass sich das Pflegepersonal kurz mit Namen vorstellte. Nach 5 Wochen kannte ich fast jeden an der Stimme, und mein Mann freute sich, wenn "Gregor" ihn zum Duschen abholte.

Verlegen von Sachen, Verstellen von Möbeln

Das Pflegepersonal ist häufig sehr gestresst. Da bleibt schon mal ein Rollstuhl mitten im Krankenzimmer stehen, das Deckbett liegt auf dem Tisch, und der Essenswagen steht direkt vor der Tür, auf dem Gang ein weiterer Wagen mit Tassen und Tellern. Als gesunde Nichtsehende habe ich mir natürlich meinen Weg durch oft missliche Verhältnisse gebahnt, aber ich habe auch darum gebeten, dass meinem Mann, nachdem er wieder aufstehen konnte, die wichtigsten Gegenstände nicht verstellt wurden. Dies akzeptierte man gern.

Schlafanzüge, Handtücher und Waschzeug fanden sich häufig anderen Orts wieder. Auch hier sollte man einem Nichtsehenden das Leben vereinfachen.

Tropfen und Tabletten

In zwei Krankenhäusern erlebte ich nahezu Identisches. Mein Mann bekam mehrmals täglich Tropfen. Diese wurden in einem kleinen, sehr wackligen Messbecher zum Frühstück oder Abendbrot mit aufs Tablett gestellt. Es passierte, dass dieser wichtige Trunk beim Essen einfach umfiel. Die diensthabende Schwester wischte allenfalls den klebrigen Saft vom Tisch, somit waren die Tropfen für dieses Mal wieder nicht genommen. Ich habe dann dringlich darum gebeten, dass man einem blinden Patienten sein Medikament in die Hand geben sollte, denn auch die am Abend vorher zusammengestellten Medikationsboxen, die man einfach am nächsten Tag selbst mitverwalten soll, sagen einem Augengeschädigten nichts. Hier gilt es, größere Sorgfalt walten zu lassen.

Im Ganzen gesehen habe ich trotz Personalknappheit sehr viel Gutes in den Krankenhäusern erlebt. Ich glaube deshalb, dass es wichtig ist, anhand von Beispielen Krankenpfleger für die Belange Blinder und Sehbehinderter zu sensibilisieren, denn damit erleichtern wir uns das Patientendasein.

Gisela Bechler

Aus: "Die Gegenwart", Zeitschrift des DBSV, Nr. 7/8, Juli/August 2003.
Weitere ausgewählte Artikel aus der "Gegenwart" finden Sie auf der Homepage des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes.

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Erstellt am Do, 18.03.04, 07:46:09 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/berichte/khanders.shtml

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