Heute auf dem Weg zur Arbeit durfte ich erfahren, daß man als Blinder nicht nur "im Regen stehen gelassen" werden muß. Als ich so meine altgewohnte Arbeitsstrecke ging, hielt mich plötzlich ein netter Arbeiter auf und kündigte an, daß in den nächsten Tagen dort, wo ich eben immer gehe, der Gehsteig aufgegraben werden sollte. Wie lange es dauern würde, konnte er mir nicht genau sagen. Aber ich fand es sehr aufmerksam, daß er überhaupt etwas sagte. "Gut", werden sich so manche jetzt denken, "der arbeitet ja gerade an der Strecke und kommt deswegen nicht umhin, es zu sagen, sobald ein Blinder vorbeikommt.". Das ist ein Argument. Doch trotzdem fand ich es ausgesprochen nett von dem Mann. Er erklärte, daß sie auch ein Verkehrsschild hinstellen müßten, versicherte mir jedoch, daß dieses nicht mitten am Gehsteig, sondern innen, sozusagen an der "inneren Leitlinie", stehen würde. Da ich eher außen gehe, ist das gerade passend.
Ich habe in unserem Unternehmen ein Abkommen mit unseren Herren vom Fuhrpark, daß diese mich bei Sturm und Regen bzw. Schneefall jederzeit abholen würden; ich bräuchte nur anzurufen. Als ich dies heute erfuhr, brachte ich bei einem unserer Fuhrparkmenschen ganz vorsichtig und kleinlaut die Bitte vor, ob sie mich nicht die nächsten Tage abholen könnten: Und, man stelle sich vor: Er sagte ohneweiteres zu!
Dies gibt Mut, als Nichtsehender seinen Weg ganz zielstrebig weiterzugehen und nicht immer nur auf die "schlechten, egoistischen Sehenden" zu schauen. Es gibt noch genug aufmerksame Menschen; man muß nur richtig "hinsehen".
Karin Schmid
© 2004 by Karin Schmid
Erstellt am Fr, 27.08.04, 08:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/unterw/geste.shtml