Ob nun die Hitze, der Straßenlärm oder das Getümmel in den Geschäften Schuld daran ist? Jedenfalls herrscht im Bus am Nachmittag schläfrige Stille. Wir versuchen wohl unsere Energien für das bevorstehende Abenteuer Las Vegas zu sammeln.
Die Stadt liegt 380 Meter über Meeresniveau in einem Wüstenbecken, umgeben von Bergen mit Schigebieten. Las Vegas bedeutet übrigens "die Weiden". Die ersten Siedler waren Mormonen, die Stadt selbst entstand erst 1902.
1930 wurde das Glücksspiel eingeführt. Heute hat die Stadt eine Million Einwohner - und 140.000 Zimmer! Unglaublich, dass die Hotels zu 98 % ausgebucht sind.
Unser Hotel, das berühmte Stratosphere, hat ca. 2000 Zimmer und einen 300 Meter hohen Turm, auf dem sich eine Achterbahn und ein Katapult befinden. Letzteres bereitet wohl nur nervenstarken Abenteurern Vergnügen, schleudert es doch die Insassen über die Brüstung des Turmes und lässt sie in den Abgrund blicken.
Bildbeschreibung: Blick vom Turm des Stratosphere Hotel auf Las Vegas
Aber bevor wir in unser Hotel fahren, machen wir noch eine kleine Rundfahrt durch die kurioseste Stadt, die mir je untergekommen ist. Die Hauptstraße in Las Vegas ist der berühmte "Strip" - unter anderem bekannt durch die Fernsehserie "77 Sunset Strip".
Das größte Hotel hat 5005 Zimmer und 93 Aufzüge. Seine größte Attraktion ist aber ein künstlicher Vulkan, der alle 15 Minuten ausbricht. Dann kommen wir sozusagen an halb Europa vorbei, darunter Paris und dem Comer See. Das Miniatur-Venedig wartet im 1. Stock sogar mit einem Canale Grande auf, den man doch tatsächlich mit einer Gondel befahren kann.
Benommen und etwas aufgekratzt kommen wir in unserem Hotel an und staunen nicht schlecht, dass die gesamte riesige Hotelhalle ein einziges Spielkasino ist. Hier tummelt sich alles, was Geld hat, keines mehr hat - oder nie welches hatte. Schwerkranke Menschen mit Sauerstoffgeräten hoffen hier ebenso auf das "große Glück" wie die vielen Touristen oder Berufsspieler. All der Prunk und Glanz wirken auf mich wie ein Mantel, der so manche menschliche Tragödie gnädig bedeckt.
Nach einem hervorragenden Abendessen lassen wir es uns natürlich nicht nehmen die 108 Stockwerke auf die Spitze des Turms zu fahren und zuzusehen, wie sich einige aus unserer Gruppe über die Turmbrüstung katapultieren lassen. Wir lassen uns den heißen Wüstenwind um die Nase wehen und durchstreifen vor dem Schlafengehen noch das 1. Stockwerk mit den vielen eleganten Boutiquen.
Bildbeschreibung: Zimmernummer
Die Sorge, wir könnten uns in dem weitläufigen Hotel verirren und unser Zimmer nicht finden, erweist sich zum Glück als völlig unbegründet. Einerseits geben die Tafeln neben den Aufzügen genaue Auskunft, andererseits sind auch hier alle Zimmer mit tastbaren und Braille-Ziffern versehen - ein Komfort, an den wir uns inzwischen gewöhnt haben und den wir in Europa ziemlich vermissen werden.
Auf der Weiterfahrt am nächsten Morgen kommen wir zu den Blue Diamond Mountains. In dem Tal, das wir durchfahren, wird Wein angebaut.
Wir überqueren das Amargosagebirge und sind somit wieder in Kalifornien auf unserem Weg nach Furnace Creek im Death Valley. Es hat seinen Namen den Goldsuchern zu verdanken, die 1848 in den Westen zogen. Erschöpft von Goldgier und der Hitze konnten sie keinen Weg aus dem Tal finden und mussten all ihre Tiere schlachten um zu überleben.
Der tiefste Punkt des Tales liegt 85 Meter unter dem Meeresspiegel. Seit 1994 ist Death Valley Nationalpark. Es ist 7770 Quadratkilometer groß, wird im Osten vom Amargosagebirge und im Westen vom Panamintgebirge begrenzt. Das Tal besteht aus Felseinöden und Sanddünen, aber es gibt auch Quellen und stellenweise wachsen sogar Kakteen.
Während im Tal die Hitze brütet, ragen im Osten und Westen schneebedeckte Berge empor. Der höchste Gipfel der östlichen Bergkette ist über 3000, der der westlichen sogar über 4000 Meter hoch. Kein Wunder also, dass die Goldsucher bei den damaligen Wegverhältnissen Mühe hatten, den Talkessel wieder zu verlassen.
Wegen der 37 Grad empfinden wir die Klimaanlage zumindest bei der Rückkehr in den Bus als einen Segen unserer Zeit. Wir erfahren, dass die niedrigste Temperatur, die hier gemessen wurde, -9 Grad, die Höchsttemperatur +57 Grad betrug. Die Durchschnittstemperatur beträgt 32 Grad.
Auf der Weiterfahrt erzählt uns Maria eine jener kuriosen Geschichten, an die wir uns langsam gewöhnt haben:
"Wir kommen an einem seit vielen Jahren leer stehenden Opernhaus vorbei, in dem früher viele berühmte Künstler auftraten. 1954 kam eine pensionierte Opernsängerin hierher, kaufte das Opernhaus, malte Publikum an die Wände und trat jeden Abend vor leerem Haus auf."
Auf unserer Fahrt durch das Tal sieht man gelegentlich weiße Streifen: salziger Sand, der Schnee täuschend ähnlich sieht.
Bildbeschreibung: Salzhaltiger Sand, der wie Schnee aussieht
Wir nähern uns langsam dem westlichen Gebirgszug, erklimmen den ersten Pass, der 1500 Meter hoch liegt. Von hier aus sieht man rechts den Mount Wittney mit 4448 Meter Höhe. In den Bergen wurde früher Silber abgebaut, die Funde waren jedoch nicht sehr ergiebig und so zogen die Menschen weg. Zurück blieben die leeren Städte, die so genannten Ghost Towns - und sie wirken wahrlich geisterhaft.
Nach der nächsten Passquerung verlassen wir den Nationalpark Death Valley. In der Ferne sieht man nun die Sierra Nevada, wo der Andreasgraben verläuft, der für die vielen Erdbeben verantwortlich ist. Hier schiebt sich die Pazifikplatte unter die nordamerikanische Kontinentalplatte. Bei den häufigen Erdbeben wird die Sierra Nevada um einige Zentimeter höher, während die Alabama Hills stetig an Höhe verlieren.
Wie immer kündigt Maria mit ihrem Handy unsere Ankunft im Hotel an und erfährt, dass der Pass, den wir morgen überqueren müssen, seit heute Morgen wegen Steinschlag geschlossen und es nicht sicher ist, ob die Sperre bis zum nächsten Tag aufgehoben sein wird. Wie viele Kilometer Umweg dies bedeuten würde, malen wir uns lieber nicht aus.
Aber vorerst geht es bergan. Bis 2000 Meter begleitet uns Wüste. Erst dann finden sich vereinzelt Nadelbäume und Espen. In der Ferne sieht man den Dampf von den heißen Quellen aufsteigen, die entlang des Andreasgrabens zu finden sind.
Inzwischen sind wir bereits 2800 Meter hoch und im Schigebiet angelangt, und nun beginnt erst der Nadelwald.
Wir haben Mammoth, das Ziel unserer Tagesetappe erreicht und stellen fest, dass niemand die richtige Kleidung hat. Mittags bei ca. 40 Grad im Death Valley, abends auf nahezu 3000 Meter bei 8 Grad - dafür ist keiner von uns gerüstet.
Am nächsten Morgen treffen wir vor dem Hotel ein paar Snowboarder. Es hat 5 Grad, die Luft ist klar und ein traumhafter Sonnentag bricht an. Wir fahren weiter nach Norden und der Pass ist zum Glück wieder offen. Die ganze Gegend ist Schigebiet und auch jetzt im Mai herrscht hier voller Betrieb.
Bildbeschreibung: Schneebedeckter Hang mit Bäumen und Seilbahn
In dieser Gegend gibt es noch viele Mammutbäume. Geschützt durch eine 60 Zentimeter dicke Rinde überdauern sie Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende. Der älteste Baum ist etwa 4500 Jahre alt. Die Wurzeln können bis zu einem halben Hektar weit ausgreifen. Die Zapfen fallen nicht ab, sondern werden von Eichhörnchen abgetrennt, die die Samen aber nicht fressen. Die Indianer hatten die Bäume nicht gefällt, weil sie wegen der totalen Stille im Wald glaubten, hier wären Kobolde, denn es gab keine Insekten und damit auch keine Vögel. Das Holz der Mammutbäume wurde daher erst von Weißen verwertet, weil es sehr haltbar ist und viel Wasser aufnehmen kann, ohne sich nass anzufühlen. Es muss auch nur alle zwei Jahre eingelassen werden.
Inzwischen sind wir beim Yosemite-Nationalpark angekommen. Yosemite ist ein indianisches Wort für Grizzlybär. Und hier kommen bei vielen von uns heimatliche Gefühle auf: Nadelwälder, ein klarer Bergsee, von schneebedeckten Gipfeln umgeben, sonnenbeschienen und darüber der strahlend blaue Himmel - Erholung für Körper und Seele.
Der Park wurde 1890 als 2. Nationalpark der Welt gegründet. Er ist 3082 Quadratkilometer groß. Jährlich besuchen ca. vier Millionen Menschen den Park. Hier machen auch kalifornische Kinder eine Woche Überlebenstraining mit den Rangers.
Maria flicht in ihre Erzählungen eine Geschichte über den berühmten Parkaufseher Clark ein: Ein Arzt prophezeite ihm im Alter von 42 Jahren, er habe nur noch sechs Monate zu leben. Und diese ihm noch verbleibende Zeit wollte er unbedingt im Park verbringen. Er lebte hier, bis er 95 war und wurde unter einem Mammutbaum begraben, also einem jener Bäume, deretwegen er seinerzeit in den Park gekommen war.
Irgend jemand möchte wissen, was denn das für merkwürdige Mülleimer sind. Maria gibt bereitwillig Auskunft: Die Eimer sind mit einem Sicherheitsschloss gegen Bären geschützt. Die Bären sind nämlich sehr neugierig, immer hungrig und plündern daher die Mülleimer, vor allem auf den Campingplätzen und stehlen dort auch den Proviant, wenn man ihn leichtsinnigerweise nicht gut sichert. Wanderern wird empfohlen Glöckchen mitzunehmen um die hungrigen Tiere abzuschrecken. Die Bären zeigen ihren Jungen die besten Futterstellen, und dazu gehören natürlich auch die Campingplätze.
Der Yosemite-Park ist der Park der Wasserfälle. Von den 10 höchsten Wasserfällen der Welt sind vier im Yosemite-Park. 1988 gab es hier einen Großbrand. Man ließ die verkohlten Bäume stehen und so wieder zu Humus werden. Die Regeneration bleibt der Natur überlassen.
Bildbeschreibung: Brautschleierfall
Im Tal fließt der Mercet-Fluss und wir passieren den Brautschleierfall, der 192 Meter hoch ist. Dann kommt der El Capitan ins Blickfeld, jener Berg, auf den im September 1991 der Ranger Wellman hochgeklettert ist. Er hatte bei einem Kletterunfall beide Beine verloren, ist jedoch trotz dieses Handicaps gemeinsam mit einem Freund die 2800 Meter hohe Felswand hochgeklettert, wofür er sieben Tage und vier Stunden benötigte.
Im Tal angekommen, machen wir Mittagsrast und wandern danach zum Yosemite- Wasserfall. Er ist 739 Meter hoch und fällt in drei Stufen herab. Er ist der dritthöchste Wasserfall der Welt Wenn auch solche Dimensionen ohne optische Wahrnehmung nicht wirklich fassbar sind, so bekommen wir durch das weithin hörbare Brausen, die Feuchtigkeit in der kühlen, würzigen Luft sowie die Schilderungen unserer Mitreisenden einen ungefähren Eindruck von diesem grandiosen Naturschauspiel.
Bildbeschreibung: Der Yosemite Fall im Yosemite Nationalpark
Bevor wir den Park endgültig verlassen, fahren wir noch zum Tunnel View. Von hier hat man einen herrlichen Blick über das ganze Tal. Eine Weile fahren wir den Fluss entlang, auf dem viele Kanus und Rafter unterwegs sind und der wie ein Gebirgsbach schäumt.
Am Nachmittag kommen wir nach Mariposa, einen Goldgräberort. Man nannte die Goldsucher die Fortyniners, benannt nach der Straße, die an den Goldgräberorten vorbei führt. Sie führt bis Sacramento, wo das erste Gold auf dem Grund eines Schweizers namens Johann August Sutter gefunden wurde. Er wurde in Europa wegen diverser Delikte und Bankrotts gesucht, kam nach Amerika und schlug sich als Farmer, Zahnarzt und Wirt durch. Er bereiste von Vancouver aus den Pazifik, hinauf bis Alaska, holte schließlich aus Hawaii Arbeiter und kam nach Kalifornien, das damals mexikanisch war. Hier kam er rasch zu Reichtum und Ansehen, bis eines Tages einer seiner Leute im Fluss Gold fand, was sich nicht verheimlichen ließ. Die Schürfer fielen über sein Land her und Sutter verkaufte dieses weit unter dem Wert, zog nach Washington und starb dort völlig verarmt.
Wir kommen ins 600 Kilometer lange und 200 Kilometer breite San Joaquin-Tal, in dem außer Bananen, Erdnüssen und Tabak so gut wie alles wächst. Es ist das große fruchtbare Zentralbecken Kaliforniens, muss aber bewässert werden, was durch die Schneeschmelze der umliegenden Berge erleichtert wird.
Links begleitet uns das Küstengebirge, rechts die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada, während wir durch das fruchtbare Tal nach Patterson fahren, wo wir nächtigen.
Bildbeschreibung: Windräder - Energiegewinnung in der Wüste
Am nächsten Tag folgen wir dem Küstengebirge weiter nach Norden und passieren viele Windräder, die für die Energiegewinnung sorgen, betrieben von dem kräftigen Küstenwind, der über die etwa 300 Meter hohe Hügelkette bläst, die wir nun überqueren. Und nun liegt sie vor uns, die berühmte Stadt San Francisco, der nördlichste Punkt unserer Reise durch den Südwesten Amerikas.
San Francisco ist ein echtes Erlebnis und Wert, dass wir vorher wieder eine kleine Zäsur einlegen um Atem zu schöpfen.
© 2005 by Eva Papst
Erstellt am So, 13.03.05, 09:01:19 Uhr.
URL: http://anderssehen.at/alltag/reise/land3.shtml